Hemmnisse: Psychologie der Innovation – Stupidophobie

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Fear

Oft stehen wir selbst uns im Weg und so entsteht eine schwierige Psychologie der Innovation. Hier ein Beispiel. Ich rede in meinen Vorträgen gerne darüber, dass die Arbeit in Unternehmen in zwei Kategorien fällt:

  1. Das Bestehende immer besser machen: Heute Geld verdienen mit dem was wir haben (Horizont 1)
  2. Neues entdecken, neue Probleme für evtl. auch neue Kunden lösen: Zukünftiges Wachstum ermöglichen (Horizont 2)

Das sieht auch das Three Horizons Modell so. Bei den Three Horizons kommt dann noch etwas anderes, der dritte Horizont dazu: Optionen für zusätzliches Wachstum finden und ermöglichen – das ist aber kulturell sehr ähnlich wie Horizont zwei, deswegen gehe hier nicht weiter drauf ein.)

3 Horizons model

3 Horizons model

Nun gibt es Millionen von Gründen, warum uns Horizont 2 schwer fällt und über jeden der Gründe könnte man Artikel schreiben (und bald wird ein Artikel von mir bei einem Partner erscheinen, der beschreibt, wie man besser damit umgehen kann):

  • H1 liefert Vorhersagbarkeit, H2 Unsicherheit
  • H1 liefert Qualität und Verlässlichkeit, H2 erstmal Visionen und Neues, das womöglich sogar alles was wir in H1 haben in Frage stellt.
  • H1 liefert das von dem wir wissen was wir liefern müssen (known knowns), H2 sucht neue Probleme (known/unknown unknowns)
  • H1 ist lösungsorientiert, H2 sucht Probleme
  • Die Arbeit in H1 ist linear, H2 ist von vor und zurück geprägt, beinhaltet als ständig Rückschritte.

Ich glaube aber, der Kern ist, dass wir in H1 alles “wissen”, in H2 aber alles “suchen” und finden müssen. Das bedeutet aber , dass wir auf der Suche in H2 am Anfang alle erst einmal dumm sind. Wir wissen nicht was wir suchen, wir wissen nicht mal welche Fragen wir stellen müssen um suchen zu können. Jeder, den wir treffen, weiss mehr als wir. Diesen Personen gegenüber müssen wir unsere Unwissenheit auch exponieren, sonst lernen wir nicht.

Wenn wir einen Weg finden, wissen nicht wie erfolgversprechend oder belastbar er ist. Während die Kollegen fleissig und termingerecht neue Features ausrollen, von denen wir wissen (?) dass sie gebraucht werden.

Leute, die neue Produkte finden wollen, müssen sich also mit Freude und freiwillig in die Lage begeben, nichts zu wissen, dumm zu sein und langsam schlauer zu werden. Sie müssen sich mit Freude neuen Szenario auswerfen. Wahrscheinlich eine Situation, die nicht jedem schmeckt und in die wir nur diejenigen bringen sollten, die größte Lust darauf haben.

Leider bringt die Stupidophobie ein organisatorisches Problem mit: Leute, die in der Verantwortung stehen, Neues zu machen müssen Ihre anfängliche Dummheit oft verdecken und überspielen, weil sie in einer Umwelt leben, die dieses Problem nicht versteht. Dialoge wie folgender sind an der Tagesordnung und enden nur selten in Zufriedenheit beider Seiten:

“Wissen wir schon ob es klappt, was dabei rauskommt?” “Nein!” “Wann genau werden wir es wissen?” “Weiss ich nicht.” “Haben wir wenigstens einen Businessplan?” “Ja, aber die Annahmen sind geraten.” usw.

Dementsprechend helfen uns “Prozesse” ein bisschen besser in der Unwissenheit zu argumentieren. Learning accounting im lean Startup, bzw. Arbeiten mit Hypothesen – das wissenschaftliche Prinzip also – bieten uns etwas zum festhalten. Die Kunst ist es, den der Stupidophobie so viel entgegenzusetzen, dass man den Prozess möglichst weit im Hintergrund halten kann um die Möglichkeiten des Neuen nicht zu sehr in Bedrängnis zu bringen und Kollaboration nicht zu sehr einzuschränken und gleichzeitig im Konzern überleben zu können. (Tatsächlich arbeite ich gerade mit Kollegen an etwas was uns helfen soll, frühe Signale nbeim Lernen zu verwerten.)

sho shin

sho shin

Kurz: Ohne erst einmal dumm zu sein und Gefallen daran zu finden, gibt es nichts Neues. Design Thinker haben dann auch eine schönere Formulierung gefunden: “Embrace a beginner’s mind set”. Die Zen-Schule nennt das Konzept Shoshin, verbunden mit der Aussage

“In the beginner’s mind there are many possibilities, in the expert’s mind there are few.” (Suzuki, Shunryu) 

Das Gefühl, sich in diese Situation zu begeben bleibt so oder so das selbe. Übrigens kennt auch die Wissenschaft dieses Gefühl. Es setzt ein, wenn neue Hypothesen gefunden werden müssen. Die müssen oft außerhalb des Bekannten liegen. Dort nenn man es abduktive Logik (abduction) oder wie Richard Feynman sagt: “In the beginning, you take a guess.”

Credits: Die Kernidee hinter diesem Blogpost stammt von Nilofer Merchant, die weitaus mehr und besser dazu schreiben und sprechen kann als ich.

 

 



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