Eine Neudefinition der User Experience Wertschöpfungskette

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Leichtgewichtige Deliverables

Zwischen Verkaufswerkzeug und Experience Design

Ein Gastbeitrag von Max Wambach

Die Integration  von User Experience (UX) Design in die tägliche Arbeit von Product Management Abteilungen ist nun schon seit längerer Zeit ein wichtiges Thema. Meist drehen sich diese Diskussionen um UX und agile Entwicklung, Lean Approaches, benötigte Detailtiefe bei UX Design et al. UX Designer verwechseln agile Produktentwicklung mit nur einem weiteren Prozess, der mehr Druck aufbaut und den kreativen Prozess zerstört. Häufig wird dabei kritisiert, dass wenig Zeit für einen holistischen Ansatz zur Lösung von Nutzerproblemen bleibt.

Aber warum ist das so? Wo Produktmanager und Entwickler scheinbar keine Probleme sehen, haben UX Designer vielen Vorbehalte.

Ein typischer Werdegang von UX Designern

Ich vermute, dass diese Vorbehalte durch den beruflichen Werdegang von vielen UX Designern hervorgerufen werden. Lasst uns einen kurzen Blick auf die Entwicklung von User Experience Design der letzten Jahre werfen: Viele UX Designer haben als Interaction Designer oder Visual Designer in kleinen bis größeren Interactive Agenturen gearbeitet. Daneben gab es noch das Berufsfeld des Usability Engineers (erinnert sich noch jemand?), der häufig in größeren Firmen in der Produktentwicklung gearbeitet hat.

Durch die Natur des Wasserfallprozesses und der Kunde-Agentur-Beziehung war die Wertschöpfung dieser Berufsgruppen durch den Output am Ende der Prozessblackbox gekennzeichnet. Kunden mussten und wollten das Arbeitsergebnis nach jeder Prozessphase absegnen. Ganze Büchern von Dokumentation in Form von Wireframes, User Flow und Use Case Diagrammen wurden erstellt, kritisiert und unsere Kunden wussten wofür sie UX Designer bezahlten: schöne Deliverables. Dass diese Ergebnisse jedoch häufig nur zum Bruchteil für die eigentliche Produktentwicklung benutzt wurden, war unwichtig – UX Designers Platz innerhalb der Wertschöpfungskette war offensichtlich, definiert durch Deliverables. Auch schaffte es die klar definierte Value Proposition von UX Design und Research, dass UX als kritischer Faktor für den Produkterfolg erkannt wurde. Dank dieser Entwicklung haben Manager bald erkannt, dass es sich nicht lohnt, diese Ressource für allzu lange Zeit extern zu verorten. Externe Ressourcen skalieren in einem agilen Entwicklungsumfeld nicht sehr gut. Manager brauchten UX Designer, die tagtäglich, iterativ und kontinuierlich an der Verbesserung ihrer Produkte arbeiten.

Lass die Integration beginnen

Als Folge wurde Designer angestellte, die meist einen Agenturhintergrund mitbrachten. Ihre Aufgabe bestand daran eine UX-Abteilung aufzubauen und was sie mitbrachten war eine holistische Sicht auf das Produkt, einen Wunsch die UX des Produkts zu verbessern und eben auch eine klare Sicht auf Ihren Platz in der Wertschöpfungskette. Aber plötzlich war die Arbeitsweise eine andere. Pragmatisches, Team-basiertes, kollaboratives UX Design ist plötzlich wichtiger. In seinem Essay „Getting out off the deliverables business“ beschreibt Jeff Gothelf, Autor des Buches „Lean UX“, wie UX Designer ihre alleinige Ownership von Konzept und Design aufgeben sollen und besser über die Experience, die sie dem Nutzer bieten wollen, iterieren sollen:

„The trick is to stay lean: keep the deliverables light and editable. Eliminate waste by not spending hours getting the pixels exactly right and the annotations perfect.“

Zwei Arten von UX-Wertschöpfung

Obwohl Gotthelfs Artikel fast 2,5 Jahre alt ist, habe ich das Gefühl, dass wir aktuell noch mit zwei verschiedenen Arten von UX-Wertschöpfung zu tun haben.

Die erste Variante ist gewohnter für traditionelle UX Designer, da sie sich näher am Arbeitsprozess einer Agentur befinden. Externe Produktstakeholder innerhalb der Firma benötigen Deliverables, um den Wert der teuren UX Designer anzuerkennen. Insbesondere das mittlere bis höhere Management, Marketing und Sales benötigen den Output von UX Design, um deren Wert anzuerkennen – auch wenn dieser Output nie dazu benutzt wird das eigentliche Produkt zu entwickeln. Der Wert von UX liegt in den Deliverables.

Die zweite Variante kommt näher daran wirklichen Customer Value zu generieren und ist zu bevorzugen, wenn Designer mit agilen Teams zusammenarbeiten. Deliverables werden als Kommunikationsmittel benutzt, um die angestrebte User Experience zu verdeutlichen. Dadurch weiß jedes Teammitglied welches Nutzerproblem gelöst werden soll. Kurz: Wenn Entwickler eine Visual Design benötigen, um klar darüber zu werden, was entwickelt werden soll – designe. Falls nicht, dann nicht. Wenn das Team mehr Nutzerwissen benötigen – geh nach draußen und hol es dir. Was auch immer das Team unterstützt in seiner Produktvision klarer zu werden, sollte das Team gemeinsam angehen und durch den UX Designer finalisiert oder vereinfacht werden. Der Unterschied zu Variante 1 ist, dass das Team den Wert von UX nicht durch Slides des letzten User Research anerkennt, sondern den Wert durch Teilnahme am Research selbst erfahren.

UX als Werkzeug Vs. Experience Design

So lange die Mehrheit der Firmen noch Probleme damit hat, den Wert, der von Experience-fokussierten Design kommt, anzuerkennen, sollten UX Designer sich darauf einstellen, Deliverables nur als Grundlage zur Kommunikation mit Stakeholdern zu nutzen. Deliverables sind das Toolkit für UX Designer, um ihren Wert für unerfahrene Stakeholder zu kommunizieren. Ich nenne das UX als Verkaufswerkzeug.

Experiencing vs. Tooling

Experiencing vs. Tooling

Das Hauptaugenmerk von UX Designern sollte aber darauf basieren, Wert durch die Experiences, die designed werden, zu erschaffen (User Experience Design). Das Team zu beraten und komplexe Zusammenhänge durch die richtigen, pragmatischen und schlanke Deliverables (Research-Ergebnisse, Interaktions Designs, Visuals etc.) zu vereinfachen, muss die Hauptwertschöpfung von UX Designern sein. Darüber hinaus, stimme ich vollkommen mit Gothelf überein:

„UX designer are keepers of the product’s vision.“ 

Je kollaborativer UX Design wird, desto wichtiger ist es, dass der UX Designer eine UX Vision behält und das Team auf den nutzerzentrierten Weg führt. 

Hier müssen Traditionalisten ihre Wertschöpfungskette überdenken. Es reicht nicht mehr aus „nur“ ein guter Interaction Designer zu sein, um ein eine holistische Sicht auf die User Experience zu haben. Interaction Designs können keinen allumfassenden Wert liefern, wenn das Design nicht aus User Research abgeleitet werden kann und nicht zu einem zur Experience passenden visuellem Design führt.  Je interdisziplinärer agile Teams werden, desto mehr müssen sich UX Designer daran anpassen und neue Skills erlernen, um die richtigen Deliverables zur richten Zeit in der richtigen Detailtiefe zu erstellen.

Autor: Max Wambach

Max Wambach

Max – at ease

Wir sind stolz und dankbar, dass Max Wambach diesen Beitrag für unser Blog geschrieben hat. Max ist ein phantastischer UX-Designer der neuen Generation und hilft uns und in unserer Umgebung UX Design so leichtgewichtig zu machen wie möglich, aber auch so tief wie nötig. Folgt Max auf twitter und schaut seine Homepage an. Vielen Dank für all die Mühe und den tollen Beitrag!

Max arbeitet mobile.de, ebay‘s Marktplatz für Automobile 



2 Antworten zu Eine Neudefinition der User Experience Wertschöpfungskette

  1. […] Mit anderen Worten: Wer UX haben will, weil er auf die Ergebnisse steht, der muss auch die Offenheit haben, den ganzen UX-Weg mitzugehen. Sonst macht er alles schlechter als es vorher war. Die andere Seite ist, dass UX sich Mühe geben muss, die Erkenntnisse besser zu vermitteln – knackige Prototypen, Ausschnitte aus den Videos vorführen, Storytelling statt Powerpoint-Analysen, Spaß statt Defensive – und sich durch LeanUX-Techniken direkter in den Produktionsablauf einzuklinken und den ganzen Deliverables-Overhead und –Unsinn hinter sich lassen muss, den Agenturen immer brauchten um ihre Methode zu verkaufen. Keine Scheu vor Planungs- und Replenishment-Meetings in agilen Umgebungen. Die Software-Teams sind Dein Freund und Hebel, um Deine Erkenntnisse in Wirklichkeit umzusetzen. Und gleichzeitig kommst Du so in die Rolle, wirklich die User Experience ganzheitlich zu definieren und zu schützen. Und: Das wolltest Du doch! (Siehe auch den Gast-Blog von Max Wambach.) […]

  2. […] besonderes Highlight ist der Gastbeitrag von Max Wambach, der mit seiner Neudefinition der User Experience Wertschöpfungskette den vielen Problemen im Alltag von UX und Produkt einen Denkrahmen […]


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