Wie Honda die USA eroberte – Fehlkalkulation, Wendigkeit und lernende Organisation:

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You meet the nicest people on a Honda

Der Fall ist bekannt und man muss nur bei wikipedia nachschlagen, um zu sehen, dass ich hier nichts Neues schreibe. Eigentlich ist das Wissen darum Allgemeingut. Es ist die Geschichte vom Sieg der schlauen Improvisation über das sture Abarbeiten von Plänen. Der Fall wird in MBA Studiengängen gelehrt, man streitet darüber und doch ist relativ klar, was passiert ist und dass es ein Riesenerfolg von Flexibilität war. Das Glück des Wendigen und Tüchtigen.

In den Nachkriegsjahren boomte in Japan der Markt mit kleinen Motorrädern, Mopeds und Rollern. Ein Riesenerfolg war der Honda Super Cub. Honda war ein dominanter Teilhaber an diesem japanischen Markt. Und so lernte Honda sehr gut, wie man diese Modelle mit kleinem Hubraum gut und qualitativ baut und welche Märkte man damit erschließt.

Gleichzeitig gab es in den USA einen Boom an Motorrädern. Harley Davidson dominierte den Markt, damals teils noch mit anderen Modellen und anderem Image als man sich heute vielleicht vorstellt:

Harley Davidson Werbung

Harley Davidson Werbung

Nach Harley Davidson waren es englische Hersteller, die 50% der Motorräder in den USA verkauften. Japaner existierten fast nicht. Die Ausfuhr japanischer Motorräder betrug damals lediglich 4% der Gesamtproduktion.

Allein 1962 verkaufte Honda dann bereits 40.000 Motorräder  in den USA. Der Plan war aber, diese Zahl in 1963 zu auf 200.000 zu verfünffachen. Und das wurde in etwa geschafft.

Kurz gesagt, und das sagt auch Kawashima, der damals verantwortliche Honda-Chef: Die Honda 50 war ein gigantischer Hit. Aber der Weg dorthin war von Umwegen geprägt. Und die gehen so:

Die anziehenden Nachkriegsverkaufzahlen in Japan waren inspirierend für Honda, und die Verkaufszahlen von Motorrädern in den USA ebenso. Weniger inspirierend war, dass man an diesem Markt keinen Anteil hatte. Also plante man dort einzusteigen. Folgerichtig sah man sich den Markt an und versuchte in ihm zu bestehen. Man wollte im Markt mitschwimmen, analysierte ihn und versuchte den Markt mit Maschinen anzusprechen, die den dort üblichen Modellen entsprachen: Großhubige Motorräder.

Damit stellte sich allerdings kein Erfolg ein. Die Verkaufszahlen blieben unter den Erwartungen. Danach kam es zu einem weiteren Problem. Nicht geübt im Bau größerer Motoren und Maschinen gab es technische Probleme. Motoren überhitzten, Kolbenfresser häuften sich. Honda beschloss, die fehlerhaften Modelle komplett nach Japan zurückzusenden. Während es furchtbar war, dass es zu den Problemen kam, wurde das kompromisslose Vorgehen in Sachen Qualität von den Händlern honoriert. Ein wichtiger Punkt, da Honda ja ein neuer Spieler auf dem Markt war und gerade erst Händler für sich gewann. 

Nun kam ein weiterer Effekt hinzu: Die kleinen Maschinen, mit denen das Verkaufspersonal von Honda die Werkstätten aufsuchte, begannen Händler und Kunden zu begeistern: Die Honda 50 oder auch Super Cup 50 (Japan).

Und nun kam eins zum anderen. Anstatt den Markt so zu bedienen wie es gedacht war, machte man aus der Not eine Tugend und stellte sich vollständig um: Man verkaufte die hochqualitativen 50er, die man aufgrund der Erfahrung zu Hause in Japan seit Ewigkeiten hochqualitativ herstellen konnte. Natürlich konnte man damit nicht die großen Maschinen verdrängen. Also warb man konsequent mit einem bürgerliche Image und damit dass, ‚you meet the nicest people on a Honda’ (siehe Titelbild). Ein sinnvoller Claim, denn die sechziger kamen auf und weniger bürgerliche Personen hatten inzwischen einen Drang zu größeren, wilderen Motorrädern.  Dazu engagierte man die renommierte Agentur Grey Advertising und drehte mit ihrer Kampagne und einem konsequent bürgerliche auftreten, Verkäufern in Anzügen usw. letztlich das Image einer kompletten Industrie.

„Mothers who once wouldn’t listen to an adolescent child’s plea for a motorcycle began to compromise, saying, “I’ll buy you one, if it’s a Honda.”

In Verbindung mit dem konsequenten Aufbau einer Salesforce, Qualitäts- und Servicedenken gelang der Durchbruch und die Disruption des Motorradmarktes: 1960 befanden sich 60% des amerikanischen Motorradmarktes in Hondas Hand. Noch einmal zur Erinnerung: 6 Jahre vorher exportierte gesamt Japan gerade einmal 4% seiner Produktion ins Ausland.

Das folgende Bild macht dies klar (man beachte auch die neuerliche Explosion in den letzten Jahren!):

Verkauszahlen Honda Super Cub USA

Verkauszahlen Honda Super Cub USA

In Worten: Die jährliche Produktion der Honda 50 für die USA stieg in den fünf Jahren von 1958 bis 1963 von null auf 900.000.

Was dazu nötig war formuliert Kawashima wie folgt: „I really think business is a battle that must be fought with a comprehensive array of force. First, you need to have great products. Then, you need an organization that is appropriate for the product, and people who can make the organization work. In that respect, I was blessed with great products and a wonderful staff. But also, I think the driving force was Honda’s decision to build its own sales network. Our direct involvement with the retailers led to the success of our American sales network and sales campaign.”

Was sich hinter den Aussagen ‚wonderful staff’, „people who can make the organization work“, „decision to build its own sales network“ verbirgt ist: Eine lernende Organisation, die flexible auf den Markt regiert und mutige Entscheidungen trifft, um den Plan zu verlassen um das Ziel auf anderen Wegen zu erreichen.

Dass dieses und die dazu gehörige Kultur in so großen Unternehmen wie Honda möglich ist, mag dem ein oder anderen Mut machen, der in kleineren Unternehmen ohne Mut und Kundennähe erstickt.

Disruption braucht den Freiraum zum Lernen durch Zufälle, muss das Glück des Tüchtigen dadurch erst ermöglichen und dann bei den Optionen erzwingen. Und dafür braucht es die Kultur des Lernens, der Konsequenz, mutiger, radikaler Entscheidungen bei gleichzeitiger Geduld und Mut zur Nachhaltigkeit statt kurzfristiges Denken.

„The motorcycle’s new image was “unlike anything that Americans had imagined before,” Kawashima recalled. “It was that of a completely new vehicle; a motorcycle that simply didn’t seem like one.” 

“Let’s put aside the thought of making money with parts for the time being,” thought Kawashima. “Let’s just make sure we can provide complete afterservice for our customers. Let’s not get a reputation for not having parts in stock or not being able to deliver parts in a timely manner.”

Die Ironie der Geschichte ist, dass der Weg von Honda in die USA auch ein gewisser Rohrschach-Test für das eigene Denken ist. Die Planerfüller bei BCG etwa sahen den Weg in einer Studie ein wenig anders: BCG sah es als erwiesen an, dass Honda mit einem fantastischen Businessplan angetreten ist, die relevante Nische in den USA zu besetzen. Tatsächlich ist es ein Weg von Irrungen und Wirrungen, Mut, Flexibilität und einer lernenden Organisation gewesen. Honda selbst weiß übrigens, was es da gemach hat und warum, nachzulesen ist das hier! Heute würde man das ganze sicher Knowledge Accounting nennen.

Die ganze Geschichte ist ein bisschen gegenintuitiv, weil Honda ja einen Plan hatte, ein auf die USA angepasstes Produkt anzubieten. Stattdessen musste Honda genau davon das Gegenteil machen, um den Durchbruch zu schaffe: ,Einfach das Standardprodukt vom Heimatmarkt Japan und das zugehörige Marketing ein wenig anpassen. Smart kann davon bis heute nur träumen und bliebt in seiner Nische stecken.

Ich bin zum ersten mal über die Geschichte gestolpert in dem tollen Buch ‚Group Genius’ von Keith Sawyer. Er erzählt die Geschichte um die Vorteile von improvisatorischem Verhalten gegenüber ‚Skriptverhalten’, also Festhalten am Plan deutlich zu machen. (Das Buch werden wir hier bald genauer vorstellen). Kurz gesagt hat BCG gerade den Kern der Geschichte von Honda nicht verstanden: Hätte Honda an seinem Plan festgehalten, wäre es gescheitert. Gerade das Verlassen des Planes aufgrund neuer Erkenntnisse hat den Erfolg ausgemacht. Merken wir uns das.

Die Geschichte ist blendend dokumentiert, ich habe mich hier für Zahlen und Informationen bedient:

Group Genius, Keith Sawyer

http://en.wikipedia.org/wiki/Honda#Motorcycles

http://en.wikipedia.org/wiki/Honda_Super_Cub

http://world.honda.com/history/challenge/1959establishingamericanhonda/text01/index.html

 

 



Eine Antwort zu Wie Honda die USA eroberte – Fehlkalkulation, Wendigkeit und lernende Organisation:

  1. […] aus der Praxis sind die besten Lehrmeister. Wir zeigen, was Honda und Edeka erlebt […]


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