über-Dienstreise zur Lean Kanban Central Europe 2013
überproduct macht nicht nur manchmal Urlaub, nein, wir waren auf Dienstreise bei der LKCE 2013. Dienstreise deswegen, weil wir zum einen dort zum Thema Innovation einen Vortrag hatten und im Vorfeld im Programmkomitee aktiv waren, aber auch vor Ort noch die ein oder andere Session moderiert haben. Vor allem aber auch, weil wir uns dem lebenslangen Lernen verschrieben haben! Und tatsächlich wollen wir immer noch mehr zu Lean Kanban lernen, da Kanban uns immer wieder hilft, unsere Ideen dann auch umzusetzen.
Also gut – was haben wir gelernt? Vor allem, dass sich die Speerspitze im Kanban immer weniger mit der Mechanik der Boards beschäftigt. Im Kern geht es um Modernes Management und die Werte dahinter. Vor allem eine Gruppe, die David Joyce, Mike Burrows, Karl Scotland umfasst, beschäftigt sich mit den Werten, die hinter Kanban stehen. Und tatsächlich ist die Beschäftigung mit den Werten genau das, was Lean schon immer ausgemacht hat. Wer Taiichi Ohno (und auch Deming!) liest, wird feststellen, dass Lean – und eben auch Lean Kanban – stets auf tiefen Respekt vor den Mitmenschen und Mitarbeitern basiert. Genau das ist dann auch meist der echte Bruch in den Kanban-Implementierungen, dass es am Ende nicht um Rechthaben geht oder um die Position im Unternehmen, sondern dass Kanban auf gewisse Weise unabhängig davon Fakten ins Spiel bringt. Diese Fakten lassen dann die besseren Entscheidungen zu als die üblichen politischen oder positions-/machtbasierte Entscheidungen.
Ein weiterer großer Trend beschäftigte sich mit Change, dem Wandel im Unternehmen. Und in diesem Zusammenhang mit Kanban als Katalysator für steten Wandel im Unternehmen. Dabei helfen die o.g. Werte, den Wandel in die richtige Richtung zu treiben und so eine lernende Organisation zu schaffen, die es auch gelernt hat, sich ständig selbst zu verbessern – meist in kleinen Schritten, Tag für Tag. Wenn nötig kann dieser Wandel aber durchaus auch einmal radikal sein. Dieser Trend wird vor allem von Klaus Leopold und Sigi Kaltenegger stark geprägt.
Ein anderer Teil der eher theoretischen Betrachtungen beschäftigt sich mit den Grundlagen von Entscheidungen – basierend auf Komplexitätstheorie, Logik aber auch Psychologie. Hier werden die Ergebnisse von Dave Snowden (Cynefin, Komplexität) und Daniel Kahnemann in die Grundlagen der Theorie mit eingearbeitet. Von Snowden kommt die Erkenntnis, dass vieles der Wissensarbeit im komplexen Bereich spielt, d.h. ohne klare Ursache-Wirkungs-Wechselwirkungen. Zum einen bedeutet dies, dass Innovation (oder Neues generell) im komplexen Bereich erzeigt wird, aber im komplizierten Bereich ausgenutzt, gehebelt wird. Zum anderen heißt es aber auch, dass man es hier mit gewissen Unsicherheiten zu tun hat, die ein anderes Arbeiten als im Bereich der Gewissheit bedingen. Kahnemann beschreibt das von der psychologischen Ebene, indem er klar macht, wie wenig wir teilweise Herr unserer eigenen Entscheidungen sind und wie wenig rational diese zum Teil von statten gehen. Eine Parallele dazu in der Logik ist, dass bestehendes Wissen durch induktive und deduktive Logik ausgedrückt wird, neues wissen aber nur durch abduktive Logik erarbeitet werden kann. Dafür ist aber eine andere Arbeitsumgebung notwendig. Dazu hat Jabe Bloom einen sehr guten Vortrag gehalten.
Während es sicher einige stören wird, dass sich Kanban in dieser Form auf Konferenzen von der reinen Praxis entfernt, finde ich gerade diese Richtung vollkommen in Ordnung. Meine Erfahrung zeigt mir, dass die reine Übernahme von Praktiken und deren Wiederholung (etwa im Shu-Ha-Ri Modell) eben doch kein tiefes Verständnis für den eigentlichen Zweck und ein fortgeschrittenes ‚Wie’ in der Umsetzung bringt. Wie viele Organisationen musste ich inzwischen ansehen, in denen Agilität doch nur ein weiteres Dogma war, das von den eigentlichen Werten unendlich weit entfernt war – oder eben doch nur den Wasserfall in kleinere Meilensteine heruntergebrochen hat … der Weg zum Ziel (Releaseplan, Roadmap usw.) stand aber doch vorher fest. Ebenso oft zu beobachten ist der Slide-Back-Effekt, der besagt, dass ein paar Leute die Stange der Veränderung hochhalten –sobald sie aber weg sind, geht es mit der Änderungskultur gleich wieder den Bach runter. Für mich ist es spannend zu sehen, ob eine Einführung über die Prinzipien und Werte bessere Chancen hat. Aber keine Sorge – bei der LKCE waren im Programm auch genug Erfahrungsberichte und praxisnahe Vorträge – ich habe mir die meisten davon nur einfach nicht angeschaut.
Wer an einem guten Überblick moderner Managementmethoden – weit weg vom Sammelsurium von Management 3.0 – interessiert ist: David Joyce hat mit „Theories of Work“ ein tolles kostenloses eBook ins Netz gestellt, das mit so einigem Quatsch in dieser Beziehung aufräumt.
Aus meiner Sicht sollte Kanban das Whiteboard noch mehr dort als gegeben annehmen wo es Sinn macht und sich noch mehr den Nicht-IT-Disziplinen öffnen. Dazu gehört es aber auch nicht immer nur über Prozessverbesserung zu sprechen. Dann wäre Kanban noch einnehmender. Ebenso teile ich nicht das Dogma der ausschließlich evolutionären Änderung. Wenn die Umgebung radikalen Wandel verlangt, sollte man ihn einfach vollziehen. Da hilft kein Festhalten am gewünschten Optimum.
Alles in allem ist die LKCE für meine Begriffe die beste Konferenz im deutschsprachigen Raum, mit tollen Keynotes, einem tollen, diversen Programm, ziemlich weit vorne weg (für einige vielleicht zu weit) und für mich fester Bestandteil meines Terminkalenders.
Wir werden versuchen auf twitter auf weitere Konferenzberichte zur LKCE hinzuweisen. Folgt uns hier, um sie mitzubekommen oder weist uns gerne in den Kommentaren auf andere Berichte hin!
Alle Bildrechte bei LKCE13!
[…] Das Kongress-Highlight für 2013 war mit Sicherheit die LKCE. Für alle, die nicht teilnehmen konnten, haben wir kurz zusammengefasst, was wir erlebt haben: über-Dienstreise zur Lean Kanban Central Europe 2013 […]