Szenen aus dem Geschäftsleben – Strategie

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Eine paar Szenen aus dem Leben, die mir zur Motivation aufgefallen sind, während ich über dem Draft meines Buches über Ankopplung von Strategie sitze.

Deine Kommentare und Gedanken würden mich interessieren!

5% Heureka

200 Leute im Publikum. Ich stehe auf der Bühne, halte einen Vortrag zu einem ganz anderen Thema. Meine Frage lautet: „Wer von Euch kann mir die Strategie seiner Firma erklären?“

Was denken Sie – wie viele Hände gehen hoch? Zwei? Oder doch drei? Wahrscheinlich trauen sich ein paar nicht. Vielleicht könnten es also 10 sein. Mit viel Glück sind es zwanzig. Das sind zwischen 5% und 10%. (Wahrscheinlich Führungskräfte, die in Strategieentwicklung einbezogen sind. Oder sehr sehr motivierte Menschen. Die Unklarheit ist also beträchtlich. Unklarheit darüber, an welchen Dingen wir warum arbeiten.)

Wir haben es also, konservativ geschätzt, mit 90% Personal zu tun, dass nicht wirklich erzählen kann, warum sie welche Arbeiten erledigen.

Lost In Translation

Das wundert mich. Als nächstes spreche ich über diese Szene mit dem Vorstand eines Unternehmens. Ich erzähle ich ihm von dieser typischen Erfahrung bei meinen Vorträgen und sage ihm: „Wahrscheinlich ist es bei Ihnen ähnlich!“ Er kann sich das zwar vorstellen, ist aber dennoch verblüfft. Er sagt: „Komisch, dabei geben wir uns ich alle Mühe, die Strategie ständig zu erzählen. Wieder und wieder.“ Er erzählt mir von den Formaten, in denen das alles erzählt wird: all Hands, Abteilungsleitermeetings, Brown Bag Lunches, Newsletter ….

Da passt doch etwas nicht zusammen!

Wenn Die Honeymoon Riders Verzweifeln (Kadenz)

Unser Top-Team, die Honeymoon Riders (ja, so heissen Teams heute nun mal) haben sich mächtig ins Zeug gelegt. Leider hat das dazu geführt, dass sie eines unserer großen Probleme einfach nur früher entdeckt haben. Lösen können sie es auch nicht: Zulieferer Datasea LLC hat seine Daten einfach nicht in der richtigen Form über die API zur Verfügung gestellt. Leider sind diese Daten essentiell. Irgend etwas ging bei den Verhandlungen schief? Datenformate, Update-Frequenz und Funktionalität sind nicht wie besprochen und an mindestens diesen drei Stellen gab es Missverständnisse. Leider arbeiten die Honeymoon Riders seit 4 Wochen an diesem Problem vorbei. Sie meinen es gut und wollen alles retten, denn Projekt Source Force ist Mission Critical. Man hat das in diesem und jenem Meeting deutlich vernommen: Wenn die Honeymoon Riders nicht fertig werden, gibt es ein Problem mit dem strategischen Ziel horizontalen Wachstums, sprich Internationalisierung. Das ist zwar nicht das einzige Problem, dieses ist aber sehr sicht- und nachvollziehbar.

Bis zur Erkenntnis, dass die Honeymoon Riders scheitern werden, gab es einiges Hin- und Her („Wen trifft die größte Schuld?“, „Wie konnten wir (oder die) das übersehen?“, „Wer hat den Vertrag überhaupt geschlossen?“, „Wieso waren wir eigentlich nicht dabei?“, „Wieso war überhaupt keinTechniker dabei?“, „Glaubt ihr das will jetzt irgend jemand hören?“, usw.). Am Mittwoch gibt es nun den großen Gang nach Canossa. Ein Krisenmeeting. Gottseidank noch nicht auf höchster Ebene. Es ist aber klar, dass das Team die Unterstützung der Vorgesetzten benötigt, um das Problem zu lösen. Die Lösung besteht im Erreichen einer Entscheidung: Den internationalen Roll-Out it einem machbaren Kompromiss bei weitgehend verminderter Qualität starten oder aber das Projekt um (wer weiss das schon so genau?) ca. 4-6 Monate verschieben. Schön wird es nicht werden. Der CFO hat bekanntermassen erste Umsätze aus dem hoffnungsgeladenen internationalen Geschäft schon in den YoY Forecast integriert. Marketing wiederum hat die Kampagne schon vorbereitet. Das Geld ist also schon mal weg oder zumindest gebunden. Mit der schlechteren Qualität hat man sicher nicht geworben. All diese Dinge kann man nicht von der Hand weisen. Das Problem aber leider auch nicht.

Mittwoch 16:30 Uhr. Die Honeymoon Rider beim Café in der Firmenkantine. Betrinken geht nicht, also muss ein Kaffee herhalten. Das Team ist jäh aus seinen Flitterwochen erwacht und auf dem traurigen Boden der Tatsachen angekommen. Weniger Hawaii. Doch eher ein neblig, trüber Berlin/Brandenburger Nachmittag, kurz vorm Eintreten der Dunkelheit. Warum traurig sein? Ganz einfach: Niemand war gewillt, Willens oder in der Lage zu entscheiden. Das Risiko ist einfach zu groß. Die Entscheidung, so heisst es, könne nur das Leadership Team Treffen. Zu viel stände auf dem Spiel. Klar! Das wäre auch alles kein Problem. Jedoch: Das Leadership-Team trifft sich für Anpassungen an strategischen Themen erst wieder in 6 Wochen. Vorher sind sie für die Honeymoon Riders nicht zu sprechen. Keiner versteht es. Aber so ist der Zeitplan nun einmal. Auch auf eindringlichste Erklärungsversuche hin die Entscheidung auf das nächste reguläre Meeting verschoben. Eben in sechs Wochen. Dabei wurde noch einmal die Gelegenheit genutzt, denen untendas größte Vertrauen auszusprechen. Man sei ja erwachsen und regele das schon.

Ich Verstehe Hans K. Nicht (Entkopplung)

Vorhin war Hans K. bei mir. Er war wieder etwas panisch. Hans K. ist öfters mal panisch. Hans K. ist einer meiner guten Projektleiter. Er hält hier viel zusammen. Seit wir ins Ausland wollten, ist er aber aber öfter panisch als früher. Ich bin es ja gewohnt. Deswegen ist mir auch vollkommen unklar, wann ich seine Panik ernst nehmen muss und wann nicht. Vorhin sagte er, dass ausgerechnet eines unserer besten Teams, die Honeymoon Rider Alarm schlagen. So kenne ich die gar nicht. Hans K. versucht mir dann immer zu erklären, was genau das Problem ist. Und dann kommt eine Flut von Worten, die mir nichts sagen. Details über Details. Details von Dingen, von denen ich gehofft habe, er kümmere sich darum und hält sie von mir fern. Details von Dingen, die ich auch nach 30 Minuten googeln und Videos anschauen nicht verstehen würde. Was ich nicht tue. Verstehen Sie mich nicht falsch. Würde er das Team zu mir schleppen, würde ich schon etwas sagen. Man kann ja schlecht keine Meinung haben, in so einer Situation. Aber tatsächlich: Eigentlich verstehe ich nicht, was dort vor sich geht. Von morgens bis Abends kommen so Leute wie Hans zu mir. Details auf den unterschiedlichsten Ebenen. Irgendwie läuft der Laden ja. Aber manchmal denke ich mir, ich mache alles falsch. Tatsächlich scheint mir, ich kann auf dieser Ebene nicht denken. Ich bewundere die Leute. Manchmal beneide ich sie. Am Wochenende gehe ich den Garten um etwas Konkretes zu machen, etwas zu erleben. Aber das, was sie hier machen – ich verstehe es einfach nicht. Wahrscheinlich ist es trotzdem nicht gut, dass ich Hans K. damit alleine lasse. Ich sage immer: „Ihr seid doch erwachsen, regelt das untereinander.“ Mir ist schon klar, dass das nicht fair ist. Aber ehrlich: Ich verstehe das nicht. Die Nachrichten und Einschläge kommen auch immer so spontan. Alles zusammen sind einfach nur Geräusche. Ich weiss nicht wirklich, was die Leute machen. Manchmal verkaufe ich das als Delegation und Vertrauen. Tatsächlich fällt mir nicht ein, wie das System haben könnte. Sind ja auch viele Leute hier. Ich weiss gar nicht mehr wie viele Ebenen da sind.

Jetzt Aufhören? Jetzt? (Das Sunk Cost Syndrome)

Jetzt schlägt Hans K. wirklich Alarm. Jetzt! Und wie! Letztens, als ich dringend was wollte – ich hatte auch mal eine Idee – nämlich, dass wir dringend jetzt was in B2B machen, da war aber „nichts zu machen“. (Jetzt erzählen mir schon ständig mein CTO und meine Projektleiter wie das Geschäft läuft.) Alle, die mir was vom Markt erzählen, sagen mir, „da müssen wir was machen“. Und mir kommt es so vor, als wäre das so. Also gehe ich zu Hans K. und sage „Hans K., wir müssen was machen. In B2B. Stellen sie mal ein paar Leute zusammen, die was dazu wissen und lassen Sie uns reden. Einen halben Tag Workshop und sich mal austauschen, was gehen könnte. Was sagt da Hans K.? Hans K. sagt, „das geht jetzt nicht!“. Und ich frage mich, was er damit meint. Und was er damit meinte, war tatsächlich, dass das jetzt nicht geht. Und dann musste ich mir 5 Minuten lang anhören warum das jetzt nicht geht. Womöglich hatte er recht. Ich weiss es nicht. Was er sagt klang schon richtig. Nur, was weiss ich. Dass wir alle keine Zeit dafür haben stimmt ja nur, wenn der ganze Kram, den wir jetzt machen wirklichso wichtig ist. Das ist ja der Witz: wissen wir das? Weiss das irgend jemand? Wie genau? Egal. Ich sagt ja schon: Jetzt war er wieder da, der Hans K.. Das Problem mit den Honeymoon Riders (ja, so heissen Teams jetzt nunmal) ist eskaliert, wie er sagt. Damit meint er, ich solle mir jetzt mal Zeit nehmen. Das ganze Leadership-Team soll zusammen kommen und entscheiden, wie’s weiter geht. Jetzt! Der Rollout von unserer Internationalisierung soll dran hängen. Aha! Soll er sein Problem halt lösen! Wo war seine Eile als ich mein B2B wollte. Und jetzt sag’ ich Ihnen mal was. Hinkriegen soll er die Internationalisierung halt. Die bringt mich jetzt schon um. Da hängt ja was dran. Erst war’s ja nur so ne Idee. Dann hatten all unheimlich Schiß. Was machen wir? Wir holen die McKinseys rein. Jetzt fühlen sich alle besser – bis auf die Honeymoon Riders und alle, die da dran hängen – und wir können’s durchziehen. Was 250 Seiten Powerpoint, die heute keiner mehr kennt, ein blumiger Satz und 500.000 EUR so machen können? Und jetzt nicht durchziehen, weil’s mal schwierig wird? 2.000 EUR pro Slide und aufgeben?



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